Archiv der Kategorie: Werke

1. 2002, Günter Feist

Günter_Feist_2011Ein Schelm, der etwas wagte
Günter Feist, Kunsthistoriker, zur Ausstellungseröffnung Roger Loewig – Sieghard Pohl / GEGEN DEN STROM

Geboren wurde Sieghard Pohl in Breslau, gestorben ist er in Berlin, aber seine Kunst wurzelte in Leipzig. Man hat ihn den »Verlorenen Sohn der Leipziger Schule« genannt, doch eigentlich war er einer ihrer Protagonisten. Akribie im Zeichnerischen, Nähe zur Literatur und zur Historie, einen allegorisch oder metaphorisch gebrochenen Realismus trifft man schon beim jungen Pohl an, was die ausgestellten Federzeichnungen zur altgriechischen Mythologie belegen. Das Blatt »Die Helden sind unter sich«, in dessen Furioso auch gestalterisch gleichsam die Fetzen fliegen, wirkt wie eine Illustration zur Sicht der homerischen Heroen als mörderische Raufbolde, wie sie in Christa Wolfs Erzählung »Kassandra« zu finden ist. Allerdings ist das Pohlsche Blatt erheblich früher entstanden, nämlich schon 1964 und – in einem Gefängnis! Weiterlesen

1959, Der Spucknapf des Volkes

50 X 70, Eitempera auf Pappe

„Eine seltsame Sitzung auf dem Konferenztisch. Versteinerte Spitzbärte: Lauter Walter-Ulbricht-Büsten; manche im Lenin-Look, eine gestürzt. Die Stühle in dem kahlen, von einer Tresortür abgeriegelten Raum bleiben leer. Gitterstäbe zieren Rückenlehnen. Eine kopflose Gespenstergestalt führt den Vorsitz. Im Mittelpunkt ein Blechnapf: „Der Spucknapf des Volkes“ nannte Sieghard Pohl 1959 sein Gemälde.“ (Der Tagesspiegel, 25. Mai 1998)

„Der Spucknapf des Volkes“ wurde beschlagnahmt. Das Original ist verschollen, existiert nur noch als Fotografie. Das Negativ fand Pohl in seinen Stasi-Akten.

1963, Mythen-Reihe

Sieghard Pohl gelangte durch Zufall im Zuchthaus Waldheim Homers „Odyssee“ in die Hände.
Sie bot ihm geistige „Nahrung“, so dass er die Isolierung in der Einzelhaft besser ertragen konnte.
In Auseinandersetzung mit der griechischen Antike entstanden dann in der Haft Bilder mit mythologischen Motiven,
die er aus dem Gefängnis herausschmuggeln konnte.

  • 1. Die Helden sind unter sich, 1963, 50×35, Feder
  • 2. Herakles Selbstmord auf dem Berge Ida, 1963, 50×35, Feder
  • 3. Das Trojanische Pferd, 1963, 50×35, Feder
  • 4. Prometheus, 1963, 50×35, Feder
  • 5. Sisyphos, 1963, 50×35, Feder
  • 6. Kassandra, 1963, 50×35, Feder
  • 7. Gastmahl des Damokles, 1963, 50×35, Feder

2. 1994, Günter Feist

Günter_Feist_2011Leipziger Schule, ungehorsam
Günter Feist, Zum Tod des Malers Sieghard Pohl

Geboren ist er in Breslau, gestorben in Berlin, aber seine Kunst wurzelte in Leipzig. Den „Verlorenen Sohn der Leipziger Schule“ hat man ihn genannt, doch ist dieses Bild in mehrfacher Hinsicht schief. Sieghard Pohl lief ja eigentlich aus Leipzig gar nicht fort; man holte ihn ab. Auch kehrt er nicht wie jener biblische Sohn voller Reue nach Hause zurück. Im Gegenteil. Weiterlesen

3. 1996, Schuhmann

Sieghard Pohl, ein Maler-Dissident in Leipzig
Henry Schuhmann
Aus: Kunstdokumentation SBZ/DDR, 1945-1990, Dumont 1996

Einen Fall von wirklicher Dissidenz, ja von unverhülltem künstlerischen Widerstand, hat es, allerdings außerhalb des Künstlerverbandes und der HGB, in Leipzig doch gegeben. Es ist der Fall Sieghard Pohl, der eklatanteste wohl solcher Art, der sich in der DDR ereignete. Pohl, geboren 1925 in Breslau, studierte von 1951 bis 1955 am Institut für Kunsterziehung der Karl-Marx-Universität Leipzig.113 Weiterlesen

4. 1991, Dr. Roland R. Richter

PERSONA NON GRATArrichter
Dr. Roland R. Richter, Gedanken eines Studien- und Malerfreundes zur Leipziger Werkschau von SIEGHARD POHL

Über die bewegte Vita des Sieghard Pohl als regimekritischer Geist weiß man inzwischen aus allerlei Medien so viel, daß hier darüber nicht explizit gehandelt werden muß. Auch hat er es nicht nötig, hier von mir eine weitere Würdigung als Künstler zu erfahren. Kunsthistoriker wie Günter Feist, Rolf Otto Karnahl, Henry Schumann u. a. haben dies längst besorgt, und ich müßte nur wiederholen, was andere, berufener als ich und mit gewissem Anspruch auf Objektivität, schon dazu gesagt haben. (Etwa in den stilkritischen Überlegungen Karnahls zu S. P. als früher Protagonist der „Leipziger Schule“). Weiterlesen

5. 2002, Dr. Roland R. Richter

G E G E N DEN S T R O Mrrichter
Dr. Roland R. Richter, zur
AUSSTELLUNG in der LEIPZIGER STADTBIBLIOTHEK: ROGER LOEWIG – SIEGHARD POHL
12.12.2002 bis 15.03.2003

Es ist jetzt reichlich 11 Jahre her, daß ich hier in Leipzig, ganz in der Nähe, in der (längst nicht mehr existierenden) Galerie „Augenblick“ und noch in Gegenwart Sieghard Pohls, eine sehr eindrucksvolle Werkschau des zwar um 9 Jahre älteren, mich aber wie andere Altersgenossen an Vitalität und geistiger Frische stets weit übertreffenden Studien- und Malerfreundes eröffnen konnte.
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6. 1991, Bernd Juds

JudsBerndUnerbittlich geblieben in Sachen Menschenrechte
Sieghard Pohl — ein „ungehorsamer Maler“
Bernd Juds, Publizist und Journalist, Leipzig, 1991

In der „Heldenstadt“ Leipzig gab es jetzt eine provokatorische Vernissage in der Galerie „Augen-Blick“: die Ausstellung eines „Rückkehrers“, der vor Jahrzehnten in den Westen verdrängt wurde — und dessen Schicksal geradezu exemplarisch ist für jene aufrechtgehenden Humanisten, die die „Faust der Klasse“ besonders zu spüren bekamen. Sie standen im Schatten von Künstlern wie Sitte, Tübke und Heisig, waren oft nur Insidern der zahlenschwachen Ost-„Dissi“-Szene bekannt — wie dieser Maler und Graphiker Sieghard Pohl. Weiterlesen

7. 1991, Bernd Juds, Potsdamer Zeitung

JudsBerndEin „ungehorsamer Maler“ der DDR
Sieghard Pohl zeigt Bilder in der Leipziger Galerie „Augenblick“
Bernd Juds, Publizist und Journalist, Leipzig, 1991 für die Potsdamer Zeitung

In der „Wende-Metropole“ Leipzig gibt es in diesen Tagen eine ungewöhnliche Ausstellung: die Galerie „Augen-Blick“ in der Beethovenstraße zeigt einen Querschnitt durch das Gesamt-Oeuvre des Ex-Leipzigers Sieghard Pohl, der 1965 aus dem DDR-Zuchthaus Waldheim in die Bundesrepublik entlassen wurde. Pohl, Jahrgang 1925, gehört zu den „Quermalern“ der Ulbricht-Zeit.“ Sein Buch „Die ungehorsamen Maler der DDR“ erschien 1979 im West-Berliner Oberbaum-Verlag – ein Standardwerk für Kenner der oppositionellen Kunstszene Ost. Weiterlesen